Heizungsgesetz "Dann reden wir von 200.000 Euro" - Habecks spätes Eingeständnis der Kosten der Wärmewende

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Von

Michael Fabricius,

Michael Höfling

Bei einem bemerkenswerten Auftritt erkennt der Wirtschaftsminister erstmals die hohen Kosten an, die die Wärmewende für Bürger bedeuten würde. Dahinter steckt offenbar die Erkenntnis: Klimaschutz mit der Brechstange und gegen den Willen der Bevölkerung wird nicht funktionieren.

Quelle: Getty Images/Sean Gallup

Kuschelig-warme Atmosphäre im Haus Ungarn, Eventlocation neben dem Berliner Alexanderplatz, Holzvertäfelung aus DDR-Zeiten, als hier noch ein Kulturzentrum war.

Robert Habeck kommt in letzter Minute zum parlamentarischen Abend der Lobbyorganisation DENEFF, die die Interessen der Sanierungs-Industrie vertritt, schüttelt so viele Hände wie möglich. Feierstimmung aber will nicht recht aufkommen. Alle scheinen auf tröstende Worte zu warten wie beim vorangegangenen Termin bei BDI oder auf neue Förder-Versprechen für Wärmedämmung, Wärmepumpen und den dazugehörigen Strom. Aber die kommen nicht.

Stattdessen offenbart Robert Habeck völlig überraschend eine späte, aber steile Lernkurve in Sachen Heizungsgesetz und Gebäude-Energieeffizienz.

Ausgerechnet vor der versammelten Sanierungs-Industrie muss er einräumen, in eine klimapolitische Sackgasse geraten zu sein: Höhere Effizienzstandards und Sanierungspflichten wird es bis auf Weiteres nicht geben. Weil die Bürger nicht mitziehen und immer häufiger mit einer Partei sympathisieren, die von vielen als nicht regierungsfähig und gefährlich für die Demokratie gesehen wird.

Vor allem eine Passage der Habeck-Rede ist bemerkenswert. "In den am schlechtesten sanierten Gebäuden wohnen eben auch die ärmsten Menschen. Wenn da nicht nur eine Wärmepumpe für 20.000 Euro installiert wird, sondern auch die komplette energetische Sanierung auf ein deutlich höheres Niveau gefordert wird, dann reden wir von 200.000 Euro."

Das sagt nicht irgendwer, sondern der als Vizekanzler ranghöchste Grüne Deutschlands. Und die Worte können nicht hoch genug geschätzt werden. Erstmals erkennt damit ein bedeutender Vertreter der Öko-Partei öffentlich zumindest implizit an, dass der Wechsel von Gas- oder Ölheizung zur Wärmepumpe nicht einfach der Austausch zweier Gerätekomponenten ist. Habeck räumt hier ein, dass ein solcher Umbau für Millionen Altbauten (zwei Drittel der 18,6 Millionen Bestandsimmobilien wurden vor 1979 errichtet) Begleitmaßnahmen erfordert, damit die Wärmepumpe im betreffenden Gebäude überhaupt effizient betrieben werden kann.

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Habeck fährt damit einem Großteil seiner Partei in die Parade: Die Kommunikation der Grünen zum Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) basiert seit jeher auf einer Verharmlosungsstrategie, die allein auf die Wärmepumpe abzielt und alle anderen Aspekte einfach ausblendet. Mit Verweis auf die vermeintlich soziale Ausgestaltung des Förderprogramms werden dann stets alle Einwände zur Machbarkeit der Wärmewende vom Tisch gewischt.

Europaweite Zweifel an harter Klima-Politik

Habecks neuer Realismus fügt sich ein in eine europaweite Bewegung, die erkennt, dass ein Klimaschutz mit der Brechstange und vor allem gegen den Willen der Bevölkerung ein fragwürdiger Weg ist. Vor allem rückt die Verhältnismäßigkeit von Aufwand - auch jenseits rein ökonomischer Kategorien - zu Nutzen für den Klimaschutz zunehmend in den Blickpunkt.

Gesetze wie das GEG verschlingen in Zeiten geopolitischer Unwägbarkeiten und haushaltspolitischer Engpässe nicht allein viele Milliarden Euro. Zu den Kosten zählen auch die Spaltung der Gesellschaft und der Zulauf der betroffenen Wähler zu Parteien an den Rändern. Auf der Nutzen-Seite steht im Fall des GEG eine CO2-Ersparnis, die in einem Jahr so hoch ist wie der Kohlendioxid-Ausstoß Chinas an einem einzigen Tag. Und die zudem konterkariert wird von der Entscheidung, den Gründungsmythos der Grünen mit dem Ausstieg aus der Kernkraft zu vollenden.

Für Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron ist deshalb die deutsche Energiewende inzwischen Beispiel dafür, wie man es nicht macht. Auch er will die Bürger seines Landes dazu bringen, weniger mit Öl und Gas zu heizen. Eine Million Wärmepumpen sollen bis 2027 im Land hergestellt werden. Keinesfalls aber, so Macron, werde seine Regierung deshalb Gasheizungen verbieten. Er setzt stattdessen allein auf Anreize und finanzielle Hilfen.

Und in Großbritannien hat Premierminister Rishi Sunak angekündigt, die Klimaziele seines Landes langsamer anzugehen. Er kommt in seiner Begründung auf den Kern der Sache: Der bisher eingeschlagene Kurs bürde den Menschen im Land "inakzeptabel hohe Kosten" auf.

Das ist eine Einsicht, auf die der ideologie- und moralgetriebene deutsche Diskurs noch wartet. Für Macron wie für Sunak ist dabei ihre neue Haltung keineswegs eine Abkehr vom Klimaschutz.

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"Wir können dies auf eine fairere, bessere Weise machen", sagt der britische Premierminister. Pragmatische Ansätze gibt es etwas über den Emissionshandel oder die Verpflichtung, Wärmepumpen dort einzubauen, wo sie Teil der Planung sind und einwandfrei funktionieren: im Neubau. Das zeigt: Wer beim Klimaschutz Machbarkeit und ein Mitnehmen der Menschen einfordert, ist noch lange kein Klimaleugner oder Fossil-Lobbyist.

Immerhin aber kommt auch in Deutschland Bewegung in die Debatte. Das zeigen nicht nur Habecks Worte. Kritik an der Gebäuderichtlinie EPBD, die von Brüssel aus Mindesteffizienzstandards für den europäischen Gebäudebestand einfordert, kommt einheitlich aus allen drei Ampelparteien - also auch von den Grünen.

Der überzogene geplante deutsche Gebäudestandard EH40 wurde im Maßnahmenprogramm zum Wohnungsbaugipfel gekippt. Das sind kleine Schritte - aber die Richtung weg von der Ideologie hin zu Pragmatismus stimmt.


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